In der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Deutschen Reich zahlreiche antijüdische Rechtsvorschriften erlassen. Nach Außerkraftsetzung der Grundrechte durch die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 wurden Teile der jüdischen Bevölkerung bereits ab März 1933 durch Berufsverbote und erste Maßnahmen zur Arisierung ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die Einführung des Ariernachweises durch den Erlass des Arierparagraphen am 11. April 1933 führte zur weiteren Ausgrenzung und das Reichsbürgergesetz vom September 1935 zum Entzug der gleichberechtigten Staatsbürgerschaft. Zwei Monate später wurde in der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz definiert, wer im Sinne der NS-Rassenideologie juristisch als Jude zu gelten habe. Die jüdische Bevölkerung wurde in den Folgejahren durch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen vom öffentlichen Leben ausgegrenzt und gezielt gedemütigt.

Vorbemerkungen

Die rechtlichen Diskriminierungen verfolgten in den Jahren 1933 bis 1940 das Ziel, die jüdische Bevölkerung zur Ausreise aus dem Deutschen Reich zu drängen. Von den 1933 dort wohnhaften etwa 560.000 Jüdinnen und Juden hatte bis Anfang 1939 die Hälfte das Land verlassen. Ab 1941 dienten die Vorschriften und Maßnahmen der Vorbereitung und Durchführung des Holocausts. Der systematischen Deportation und Ermordung fielen zwischen 5,6 und 6,3 Millionen Menschen zum Opfer, darunter etwa 160.000 aus dem Deutschen Reich.

Der Historiker Raul Hilberg beschrieb 2001 das Ziel der „in die Tausende“ gehenden, gegen die Juden gerichteten Gesetze und Verfügungen: „[…] das Judentum vollständig von Deutschland zu trennen, die Juden immer drückenderen Beschränkungen zu unterwerfen und den Bereich der Verbote immer weiter auszudehnen, bis alle Sphären des Lebens davon durchdrungen waren“. Nur in den Jahren 1934, 1936 und 1937 war eine vorübergehende Zurückhaltung zu beobachten. Die „unterschiedlichsten Behörden auf den verschiedensten Verwaltungsebenen“ erließen verschiedenste Gesetze, Verordnungen, Durchführungsverordnungen oder Anordnungen. Gesetze wurden seit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 von der Reichsregierung erlassen und durften von der Reichsverfassung abweichen, die sich auf ein Gesetz beziehenden Verordnungen erließ in der Regel ein Reichsminister. Der Reichstag spielte bei der Gesetzgebung keine Rolle mehr. Ob allerdings „eine Verfügung ein Gesetz oder eine Verordnung war, hing in den meisten Fällen vom Rang des Unterzeichners ab und nicht von der Bedeutung des Gegenstandes“. Es kam dabei auch zu einer Konkurrenz zwischen Regierungsbehörden wie Ministerien und parteilicher Institutionen wie der SS, als beispielsweise Heinrich Himmler im Dezember 1938 die Einziehung aller Führerscheine und Zulassungspapiere jüdischer Besitzer von Kraftwagen verfügte, ohne dies vorher mit dem Reichsverkehrsministerium koordiniert zu haben. Während des Zweiten Weltkriegs wurden viele der Verfügungen und Maßnahmen nicht mehr von Ministerien, sondern vom zur SS gehörenden Reichssicherheitshauptamt erlassen.

Raul Hilberg macht auch deutlich, dass die Vorschriften und Maßnahmen oft an antijüdische Traditionen des Kanonischen Rechts von der Spätantike bis zum Mittelalter anknüpften und listet zahlreiche Beispiele hierzu auf, etwa das „Blutschutzgesetz“ vom 15. September 1935 oder die „Judenvermögensabgabe“ vom 12. November 1938 als „Sühneleistung“ für die Novemberpogrome.

Liste antijüdischer Rechtsvorschriften im Deutschen Reich 1933–1945 (Auswahl)

Die folgende Liste enthält eine Auswahl der zahlreich getroffenen antijüdischen Maßnahmen und Vorschriften von signifikanter Tragweite der Auswirkungen und Einschränkungen für die Betroffenen mit dem Ziel, sie zu entrechten, sich ihres Besitzes zu bemächtigen und sie aus der Gesellschaft auszugrenzen und gezielt zu demütigen, darunter insbesondere reichsweit geltende Gesetze und Verordnungen.

Literatur

  • Bruno Blau: Das Ausnahmerecht für die Juden in Deutschland 1933–1945. Verl. Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland, Düsseldorf 1965 (3. Auflage).
  • Wolf Gruner (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ), Band 1: Deutsches Reich 1933 − 1937, München 2019, ISBN 978-3-486-58480-6
  • Lisa Hauff (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ), Band 11: Deutsches Reich und Protektorat Böhmen und Mähren April 1943 − 1945, München 2020, ISBN 978-3-11-036499-6
  • Susanne Heim (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ), Band 2: Deutsches Reich 1938 – August 1939, München 2009, ISBN 978-3-486-58523-0
  • Susanne Heim (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ), Band 6: Deutsches Reich und Protektorat Böhmen und Mähren Oktober 1941 − März 1943, München 2019, ISBN 978-3-11-036496-5
  • Raul Hilberg: Die Quellen des Holocaust. Entschlüsseln und Interpretieren. S. Fischer, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-10-033626-7
  • Raul Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt/M. 1994, ISBN 3-596-10611-7
  • Andrea Löw (Bearb.): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945 (VEJ), Band 3: Deutsches Reich und Protektorat Böhmen und Mähren September 1939 − September 1941, München 2012, ISBN 978-3-486-58524-7
  • Joseph Walk (Hrsg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Müller/Hüthig, Heidelberg 1996 (2. Auflage), ISBN 3-8252-1889-9

Einzelnachweise


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Ein SAOffizier trägt ein Zeichen durch Berlin, die Bürger jüdischer

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